Die Themen diesmal: Wieso geraten selbst große deutsche Unternehmen so massiv unter Druck? Wo zeigt sich, dass falsche Prioritäten gesetzt werden – und welchen Einfluss darauf hat die Ampelkoalition?
Stefan Aust: Aus dem alten „Made in Germany“ ist ja zunehmend ein „Mad in Germany“ geworden. Nix funktioniert. Da ist Stellenabbau oft ein Zeichen für wirtschaftlichen Niedergang – aber nicht immer, oft kann ein Unternehmen seine Produktion ja auch schlichtweg mit weniger Arbeitskräften bewältigen. Die Deindustrialisierung ist dennoch in vollem Gang. Wenn etwa die Energiekosten hierzulande, parallel zu den Regularien durch Behörden und Politik, immer höher werden, darf man sich nicht wundern, wenn sich die Unternehmen nach anderen Standorten umsehen.
Und auch die besser Ausgebildeten (und vielleicht auch die Arbeitswilligen) streben ja weg aus Ampeldeutschland, das immer mehr einem rotgrünen Bullerbü ähnelt, wo ein Kinderbuchautor und seine NGOs den Ton angeben. Wenn die Grünen träumen, ist das okay. Es gehört ja zu ihrer DNA. Wenn die übrigen Parteien ihnen nacheifern, ist das Resultat so, wie es zurzeit aussieht.
Das Machbare wird gern gegenüber dem Fantastischen vernachlässigt. Einige Beispiele: Schon der Bau der ICE-Strecke zwischen Berlin und Hamburg wurde über Jahre verzögert, weil man lieber den legendären Transrapid bauen wollte. Das dauerte dann insgesamt zehn Jahre – und damit fünfmal so lange wie der erste Bau der Strecke zwischen 1844 und 1846. Wir sollten also nicht glauben, dass die gegenwärtige Bürokratie, Inkompetenz und Gleichgültigkeit völlig neu ist.
Werfen wir einen Blick auf die Flughäfen, einst das Aushängeschild eines modernen, hochtechnisierten Landes. Kaum irgendwo dauern etwa die Sicherheitskontrollen so lange wie in Hamburg oder auch auf dem neuen Flughafen Berlin. Die berühmten Scanner, bei denen man breitbeinig mit gespreizten Händen stehen muss, zeigen praktisch immer etwas an. Und deshalb wird fast jeder Fluggast anschließend mit den Händen abgefummelt. Woanders, zum Beispiel in Zürich, geht man durch eine Schleuse, die auf Metall reagiert. Hat man den Gürtel vorher abgelegt und sonst keine Metallteile bei sich, ist man durch. Geht deutlich schneller. Ist Zürich deshalb unsicherer? Das Land funktioniert nicht mehr, im Großen wie im Kleinen.
Über die Bauzeit und die Baukosten des Berliner Flughafens will man nicht einmal mehr müde Witze reißen. Aber die aktuelle Wirklichkeit reicht aus, um sich zu fragen, ob hier eigentlich irgendjemand für irgendetwas zuständig ist. Kleines Beispiel vor ein paar Wochen: endlose Schlangen vor der Sicherheitskontrolle für die Auslandsflüge. Als man endlich dran war, stockte die Kontrolle für die Plastikwannen, in die man Bekleidung, Taschen etc. legen musste. Grund war: Auf der anderen Seite wurden die leeren Wannen nicht weggeräumt. Ich hatte es nach ordentlicher Abtastung auf die andere Seite geschafft und wartete auf meine Utensilien. Sie kamen nicht durch die Anlage, weil die leeren Wannen den Durchgang blockierten. Da nahm ich die leeren Wannen, stapelte sie und räumte sie beiseite. Jetzt endlich tauchte ein Controller auf und stauchte mich zusammen: Das sei nicht meine Aufgabe!
Der Irrsinn des ehemaligen Wirtschaftswunderlandes ist überall im Kleinen zu beobachten. Nehmen wir das Parkhaus, das zum Bahnhof Hamburg-Altona gehört, aber privat betrieben wird. Fast immer ziemlich voll von Autos – und von Dreck. Die Wände von Treppenhaus und Fahrstuhl vollgesprüht, Müll an jeder Ecke, Geruch nach Fäkalien aller Art. Seit Jahren ist das so. Es kümmert offenbar weder den Betreiber noch die Deutsche Bahn. Da kann man den Niedergang geradezu riechen.
Nehmen wir die etwas abgeklungene Diesel-Hysterie. Einige Straßen wurden für Dieselfahrzeuge gesperrt, weil eine – weitgehend vom Staat finanzierte – NGO das Feinstaubgespenst durch Politik und Gerichte trieb. Dabei starteten nebenan Diesel- Loks unbeirrt auf Bahnstrecken, die zur Hälfte elektrifiziert sind (z. B. Hamburg - Cuxhaven). Und das jede Stunde in beiden Richtungen und dazu reichlich Güterzüge. Da wurde bei Lübeck allen Ernstes ein Autobahnstück mit Oberleitungsdrähten ausgestattet, für Lkw mit Oberleitungen, die wohl nur im Luftreich der Träume Stückgut transportieren werden, statt kräftig in neue elektrifizierte Bahnstrecken für Zugverkehr mit Containern zu investieren. Dafür fehlt das Geld – und im Zweifel kämpfen Umwelt-NGOs, gegen neue Bahnstrecken und für seltene Vögel, deren Existenz ihnen wiederum beim Bau neuer Windparks schnurzegal ist. Es gibt endlose Beispiele für verschlampte Infrastruktur, nicht enden wollende Baustellen und über Jahrzehnte durch Gerichtsverfahren blockierte Projekte.
Jedes Wahnsystem ist in sich selbst logisch. Wenn die eigenen Kernkraftwerke abgeschaltet werden, muss der Strom ja irgendwo herkommen. Der Traum von Wind und Sonne funktioniert eben nur, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Man könnte etwa die gesamte Straßenbeleuchtung in allen Städten und an allen Straßen mit Solaranlagen betreiben. Das würde sicher sehr gut funktionieren, jedenfalls am Tag. Nachts wäre es dann ziemlich dunkel. Nicht viel weniger irre, aber real: der jetzige hektische Neubau von 20 Gaskraftwerken. Sie sollen dafür sorgen, dass bei Dunkelflaute, also wenn kein Wind weht und auch die Sonne ausnahmsweise nachts nicht scheint, schnell ein Kraftwerk angeschaltet werden kann, um Strom zu produzieren. Das geht, jedenfalls zurzeit nur mit Gaskraftwerken. Da wir aber wegen des Fracking-Verbots im eigenen Land kein Erdgas durch Fracking fördern dürfen, kaufen wir dann amerikanisches Fracking-Gas, das dann unter erheblichem Energie-Aufwand per Schiff über den Atlantik herbeigeschafft werden muss.
Das ist ähnlich logisch, wie rechts des Rheins Atomkraftwerke abzuschalten, um den Strom dann aus Atomkraftwerken links des Rheins, also etwa aus Frankreich, einzukaufen. Das ist eben grüne Logik, Hauptsache man ist selbst prinzipientreu und moralisch sauber. Durch welch windige Lügenakrobatik diese Seifenblase aufgepustet wird, kann man jeden Tag am Märchenonkel im Wirtschaftsministerium beobachten. Und die jeweiligen Koalitionspartner in Bund und Ländern machen das alles fröhlich mit, man braucht den Partner schließlich für die Mehrheit. Jetzt oder vielleicht dann demnächst, wie CDU-Chef Friedrich Merz kürzlich signalisierte – und damit jeden Wähler vergrault, der von Grün die Nase voll hat. Das könnten mehr sein, als Merz lieb ist.
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Mari Horn