Sawsan Chebli, zu Hilfe! Es ist ein Fall von Hassrede bekannt geworden! Bitte schicken Sie unverzüglich ein Exemplar ihres Bestsellers "Laut" an Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann, mit persönlicher Widmung inklusive ernsthafter Ermahnung, sich sprachlich gegenüber der Opposition zukünftig zu mäßigen. Schließlich lautet die offizielle Anweisung noch immer, die AfD inhaltlich zu stellen - und es ist einfach nicht besonders höflich, eine gesamte Partei als "Haufen Sch..." und ihre Wähler als surrende Fliegen zu bezeichnen. Um einmal in der Sprache des Mainstreams zu bleiben: So etwas nennt man "Menschenverachtung". Dagegen machte Sigmar Gabriels Beschimpfung der AfD-Wählerschaft als "Pack" schon einen fast liebevollen Eindruck. Ohnehin sind wir einiges gewöhnt: Man unterstellt uns Umbildung und Dummheit, grundsätzlich niedere Motive und Umsturzfantasien - aber uns nun auf das Dasein eines lästigen Insekts zu reduzieren geht doch ein wenig zu weit. Bevor Frau Strack-Zimmermann sich nun auch noch mit einer Fliegenklatsche bewaffnet - vielleicht gibt es so etwas bei Rheinmetall - sollte man sie vielleicht darüber aufklären, wie böse solche Hassrede ist.
Man könnte nun ein Fass der Empörung aufmachen und es den Medien gleichtun, die gerade schockiert über einen Witz berichten, den Martin Vincentz, NRW-Spitzenmann der AfD - auf einer Versammlung machte. Er möge Humor, der so schwarz sei, wie der Amazon-Bote, der die Pakete bringt. Wir merken uns: Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Moderatoren wie Micki Beisenherz darauf spekulieren, dass Migranten im Niedriglohnsektor dereinst seine Hinterlassenschaften im Pflegeheim beseitigen, aber einen Witz darüber zu machen, gilt als unpassend. Das verstehe wer will - jedoch ist es müßig, sich darüber aufzuregen. Zudem ist es nichts wirklich Neues, den "Guten" Doppelmoral zu attestieren. Deshalb sollten wir uns keine Magengeschwüre zulegen, allerdings ist es vollkommen angebracht, sich diese Äußerungen in sein politisches Poesiealbum zu kleben, um sie bei Bedarf den Betreffenden unter die Nase zu reiben. Für Charakterstudien eignet sich das allemal.
Während der Corona-Krise mussten wir uns bereits ein dickes Fell zulegen, denn wie selbstverständlich durfte jeder Maßnahmenkritiker auf das Übelste beleidigt werden. Dunja Hayali erklärte uns, dass es nicht unbedingt antisemitisch sein muss, wenn auf Deutschlands Straßen "Tod Israel!" gebrüllt wird, der sogenannte "Impfstern" war es schon. Hassrede liegt eben immer im Auge des Betrachters, da könnten wir uns munter gegenseitig verklagen, aber irgendetwas sagt mir, dass Beleidigungen gegen Systemkritiker grundsätzlich "von der Meinungsfreiheit gedeckt sind". So auch die jüngsten Äußerungen des "Comedians" Kurt Krömer, welcher Björn Höcke als graue Eminenz hinter dem ausgespähten Potsdamer Treffen vermutet, obwohl dieser dort gar nicht anwesend war. Da unterstellt Krömer einfach einmal eine anatomische Besonderheit Höckes, die ich an dieser Stelle nicht ausführlich wiedergeben will, und die - wen wundert es - natürlich auf Adolf Hitler anspielt. Das ist nicht nur reichlich pubertär, sondern Gossenpsychologie. Um den Zustand der deutschen Comedy ist es ohnehin bekanntlich schlecht bestellt - jetzt ist sie auf dem Niveau einer Teenie-Klamotte angelangt.
Der tatsächliche Aufreger liegt woanders, nämlich dort, wo "die Guten" nicht nur pöbeln, sondern ihr undemokratisches Gedankengut auch umzusetzen beginnen. Die "Zeit" sinniert über die Gefahren, die vom durchschnittlichen Wähler ausgeht, weil er sich von den etablierten Parteien abzuwenden beginnt. Eine Petition fordert gerade, Björn Höcke einen Teil seiner Bürgerrechte anzuerkennen. Im Zusammenspiel mit der Meldung der "Zeit" muss uns das zu denken geben. Wer heute noch schadenfroh auf die Höcke-Petition schaut, kann morgen schon selbst betroffen sein, wenn derlei Gesinnungsprüfungen ausgeweitet werden. Wählt der Bürger nicht das "Richtige", dann soll er am besten gar nicht mehr wählen. Für einen solchen rechtlichen Schritt musste man früher schon ordentlich etwas verbrochen haben, heute reicht es aus, von einer regierungsnahen "Faktenchecker-Organisation" ominös beschuldigt zu werden.
Ein wenig benehmen sie sich wie verzogene Gören, denen nie Grenzen gesetzt wurden - das kommt also dabei heraus, wenn Grönemeyers "Kinder an die Macht" zur Realität wird: Ein Häuflein Politiker und Medienleute, die nicht nur vollkommen unentspannt agieren, sondern auch verlernt haben, Debatten zu führen, die außerhalb ihres Meinungsspektrums liegen. Angebliche Demokratierettung wird zum Löffel Spinat, der auf alle Andersdenkenden abgefeuert werden kann. Frau Strack-Zimmermann quittiert in den sozialen Medien übrigens jeden Widerspruch sofort mit Blockierung. Wenigstens kann ihr auf diese Weise eins nicht zustoßen: Dass sie von lästigen Wählerfliegen umsurrt wird. Das halten nämlich nur die eigenen Stubenfliegen aus.
Mirjam Lübke