Es ist eine verständliche, aber gefährliche Fehleinschätzung, nur eine Krise der haushaltsversagenden Berliner Ampel-Regierung zu erkennen. Denn alles, was in Deutschland bergab geht, ist das Werk und die Verantwortung von Parteien, die sich den Staat zur Beute und das Volk zur geduldigen Melkkuh gemacht haben.
An der katastrophalen Bildungssituation, in dieser Woche von der PISA-Studie abermals, wenngleich folgenlos, dokumentiert; an der wohlstandszerstörenden Klima- und Energiepolitik; an der Unfähigkeit, mit Rekordsteuereinnahmen die Staatsausgaben ohne immer größere Schuldenberge zu bestreiten – an all dem und noch viel mehr sind sowohl SPD, Grüne, FDP wie auch die CDU/CSU entscheidend beteiligt.
Nichts deutet daraufhin, dass sich daran etwas ändern könnte. Denn das Parteienkartell hat sich verschworen, die einzige in wesentlichen Politikbereichen oppositionelle Partei, also die AfD, auszugrenzen. Aktuelles Beispiel dafür ist in Hessen das gemeinsam von CDU, SPD, Grünen und FDP vorbereitete sogenannte „Demokratiepaket“, das die Rechte der künftig zweitstärksten Fraktion im Wiesbadener Landtag, nämlich der AfD, beschneiden und erschweren soll. Dass damit auch die demokratischen Möglichkeiten von über 500.000 Wählern reduziert und ignoriert werden, stört die „Demokraten“ nicht die Bohne.
Es kann keinen Zweifel geben: Das Parteienkartell wird letztlich auch zum Verbot jeder politischen Kraft bereit sein, von der es sich in seinem Herrschaftsanspruch über die deutsche Politik ernsthaft gefährdet sieht. Begründungen für solche Verbote wird man zur rechten Zeit leicht finden oder provozieren. Derzeit ist zweifellos die AfD am meisten in Gefahr, repressiven Maßnahmen zum Opfer zu fallen. Wer glaubt, das Bundesverfassungsgericht werde das schon verhindern, vergisst die Herkunft der Richter direkt oder aus dem Umkreis des Parteienkartells.
Ist der Allmachtsanspruch dieses Kartells schon undemokratisch und empörend genug, so bedroht dessen strukturelle Unfähigkeit zur Lösung der wichtigsten Probleme in Deutschland Staat wie Volk fundamental. Denn im Fall eines Regierungswechsels in Berlin kann es nur eine Koalition welcher Konstellation auch immer geben, die kein einziges dieser Probleme richtig angehen und zumindest entschärfen kann: Das Klima wollen alle retten, die Bildung ist allen nur ein Lippenbekenntnis wert, Nachhaltigkeit beim Umgang mit Steuergeldern ist allen ein Greuel, das Vasallendasein gegenüber der USA akzeptieren alle, die Ukraine finanzieren wollen auch alle. Es gibt also einen breiten Konsens für den weiteren Niedergang.
Dass sich viele Hoffnungen einer überalterten, ängstlichen, großteils von staatlichen Leistungen abhängigen Bevölkerung nun schon wieder auf die CDU und die transatlantische Marionette Friedrich Merz richten, ist Resultat von Ausweglosigkeit und Verzweiflung, aber auch Bequemlichkeit und Feigheit. Die Deutschen, es lässt sich leider nicht bestreiten, sitzen offenbar ihre politischen Desaster bis zu dem Zeitpunkt aus, an dem sie entsetzt erkennen, die Zeche mit Zins und Zinseszins teuer bezahlen zu sollen. Bis das soweit ist, werden die Profiteure des Parteienkartells dafür gesorgt haben, nicht mitbezahlen zu müssen.
Der Parteienstaat in Deutschland hat sich erschöpft und muss grundlegend reformiert werden. Das Grundgesetz gibt in Artikel 21 deutlichen Hinweis, wie das geschehen könnte: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit.“ Dort steht nichts davon, dass die Parteien diese Willensbildung monopolisieren, unterdrücken, nach Belieben manipulieren oder ignorieren. Wenn sie es trotzdem weiterhin tun, aber immer weniger regierungsfähig und folglich immer nutzloser fürs Volkswohl werden, ist die Flucht in ein autoritäres Regierungssystem wahrscheinlich.
Einige Staaten machen vor, dass das fürs Volk nicht nur schlecht sein muss. Doch eine autoritäre Lösung des Parteienkartells wäre die schlimmste Variante.
Wolfgang Hübner