Die Kundgebungen für Israel wie auch diejenigen für die Palästinenser sorgen in Deutschland für Aufregung und scharfe Kontroversen. Noch weit mehr als beim Ukraine-Krieg wird deutlich, wie sehr außenpolitische Positionierungen innenpolitische Folgen nach sich ziehen. Die offizielle Parteinahme der Bundesregierung wie auch der Scheinopposition von CDU/CSU für Israel nach dem Massaker der Hamas und bei der brachialen israelischen Reaktion in Gaza stößt auf Proteste und Unverständnis bei einer großen Anzahl von Moslems in Deutschland.
Das kann bedauert, verurteilt oder sogar strafrechtlich bekämpft werden – verwundern kann das bei der anhaltenden deutschen Bevölkerungsentwicklung niemand. Am allerwenigsten diejenigen, die eine Einwanderungspolitik über viele Jahre toleriert, gefördert und aus ideologischen Gründen forciert haben, die folgerichtig zu der jetzigen Situation führen musste.
Wenn diejenigen, die dafür verantwortlich waren und sind, jetzt lieber – wie Robert Habeck – salbungsvolle Reden halten, als sich dem zu stellen, was nun Tatsache ist, ist das ein Flucht- und Vernebelungsversuch, der kein konkretes Problem löst. Denn um mit Angela Merkel zu sprechen: „Nun sind sie halt da!“. Und die Moslems in Deutschland, viele davon mit deutscher Staatsbürgerschaft und hier geboren und sozialisiert, sind millionenfach da, um zu bleiben.
Ihnen vorzuhalten oder sie gar zu nötigen versuchen, ein besonderes, aus der jüngeren deutschen Geschichte resultierendes Verhältnis zu Israel zu teilen, war schon immer illusionär. Das zeigt sich nun mit aller Deutlichkeit. Gegen offene Gesetzesverletzungen kann zwar juristisch vorgegangen werden, nicht aber gegen Gefühle und religiöse Loyalitäten. Diese müssen allerdings in erträgliche, Staat und Gesellschaft nicht schädigende oder gefährdende Bahnen gelenkt werden. Umso mehr, als die Moslems eine wachsende, jüngere Minderheit in Millionen sind, zahlenmäßig weit mehr als die jüdischen Deutschen. In Demokratien ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Es ist staatspolitisch unabweisbar und klug, diese Tatsache sowohl innenpolitisch wie auch außenpolitisch zu berücksichtigen. Da sich die demographische und innenpolitische Lage durch die Einwanderungspolitik der Altparteien so entwickelt hat, wie wir sie heute vorfinden, führt kein Weg daran vorbei, dem auch außenpolitisch Rechnung zu tragen, um den sozialen Frieden im Innern nicht zu gefährden.
Das Bekenntnis zum Existenzrechts Israels darf somit nicht blind machen für das menschliche Leid, dass auch durch Entscheidungen der jetzigen israelischen Regierung entsteht. Trotz des Mitgefühls für die israelischen Opfer der Hamas-Attacke und der Anerkennung für Maßnahmen, die die Täter zur Rechenschaft ziehen sollen, darf die Empathie für die zivilen Opfer der aktuellen Kampfhandlungen nicht verloren gehen.
Eine militärische Verstrickung Deutschlands in diesen kaum lösbaren Konflikt, muss schon mit Rücksicht auf große Teile unserer Einwohnerschaft vermieden werden. Ein solches Engagement ist auch nicht nötig, da die gut gerüstete israelische Armee nicht auf Unterstützung durch die Bundeswehr angewiesen ist. Nichts hingegen ist gegen ein humanitäres Engagement Deutschlands einzuwenden.
Trotz außenpolitischer Zurückhaltung ist es innenpolitisch dringend geboten, dass die Sicherheit jüdischer Bürger in Deutschland garantiert ist. Es darf keine Diskriminierung oder Gewalthandlungen gegen jüdische Deutsche oder Juden in Deutschland geben, sowohl von Zuwanderern wie von Deutschen.
Meine hier gemachten Überlegungen werden bei denjenigen auf Kritik stoßen, die aktuell israelischen Interessen den Vorrang vor deutschen Interessen geben wollen oder glauben, diese seien komplett identisch. Oder bei denjenigen, die sich der Illusion hergeben, die wachsende muslimische Bevölkerung in Deutschland irgendwie loswerden zu können. Wir alle wissen, dass das Zusammenleben mit vielen Zuwanderern aus muslimischen Ländern alles andere als reibungslos stattfindet.
Doch leider wurde durch die Politik der Altparteien die jetzige Lage herbeigeführt. Es wäre schon viel gewonnen, wenn nicht täglich neue Masseneinwanderung aus diesen Regionen stattfinden würde, damit die Integration der bereits jetzt in Deutschland lebenden Gruppen angegangen werden könnte. Dafür, dass nicht einmal das geschieht, dürfen sich die Deutschen bei Nancy Faeser, den Grünen und Co. bedanken.
Doch diejenigen, die am liebsten morgen alle oder die meisten Moslems nicht mehr in Deutschland hätten, müssen sich die Frage beantworten, wie das ohne Gewalt, staatliche Gesetzesbrüche und gesellschaftliche wie internationale Erschütterungen erfolgen soll. Wenn es diese Antwort nicht gibt, müssen wir mit dem leben lernen, was uns eine verfehlte, teils ideologisch motivierte, aber stets demokratisch legitimierte Einwanderungspolitik beschert hat.
Es gilt also außen- wie innenpolitisch Schaden zu begrenzen, statt noch mehr Feuer an die Lunte zu legen. Das mag desillusionierend sein, ist aber realpolitisch vernünftig.
Wolfgang Hübner