Derzeit schicken die Chefs in den Redaktionen der Massenmedien ihre Lohnschreiber aus den kuscheligen großstädtischen grünen Milieus in die hessische und bayrische Provinz. Sie sollen herausbekommen, warum so viele Wähler dort am 8. Oktober nicht die „demokratischen Kräfte“ des Parteienkartells gewählt haben, sondern die AfD oder, in Bayern, auch Aiwangers Freie Wähler. Zwar wäre es eigentlich viel interessanter zu recherchieren, wer und warum noch immer die Grünen oder die SPD gewählt hat. Doch das sind ja die braven Guten, wo und wie aber halten sich die Bösen irgendwo zwischen Frankfurt und Kassel oder München und Würzburg auf?
Natürlich sind die Ergebnisse dieser Expeditionen ernüchternd. Denn statt stockreaktionären, untergebildeten Provinz-Nazis treffen die ängstlichen Kundschafter aus dem Frankfurter Nordend oder München-Isarvorstadt auf ganz normale Menschen, denen die Überfremdung und Flüchtlingsüberlastung ihrer Gemeinden und Regionen reicht, die sich vor allem aber vor dem Verlust ihres hart erarbeiteten Wohlstands fürchten, der oft genug bescheiden genug ist.
Um solche Menschen zu treffen, wären in den hessischen und bayrischen Großstädten übrigens viele Bewohner in deren Randbezirken weit näher liegende geeignete Untersuchungsobjekte. Doch exotischer wirken offenbar jene Landsleute in den Dörfern und kleinen Städten, denen es vermeintlich gut geht, die eigene Häuser haben und dazu sogar noch bessere Luft. Warum, zum Teufel, wählen von denen so viele rechts? Warum tun die das dem „besten Deutschland, das es je gab“, nur an?
Nun zum Beispiel deshalb, weil sie sehr genau bemerken, wie das Land, das sie über Jahrzehnte gewohnt waren, still stirbt: Der letzte Metzger in der Gemeinde macht zu, der letzte selbständige Bäcker ist schon länger verschwunden. Ortsnahe Krankenhäuser gelten nicht mehr als „rentabel“, die ärztliche Versorgung ist löchriger geworden. Und um die notwendigen, sehr viel teurer gewordenen Einkäufe fürs tägliche Leben zu tätigen, geht ohne Auto meist gar nichts. Gleichwohl bekommen sie eingetrichtert, Autos seien verzichtbar, weil umweltgefährdend.
Wenn die Menschen in der Provinz von Hessen und Bayern mit diesen Entwicklungen nicht einverstanden sind, dann können sie keine der etablierten Parteien mehr wählen. Denn diese haben die Missstände politische zu verantworten, nicht die „Rechten“. Es ist kaum zu erwarten, dass die Medienkundschafter aus den angesagten Milieus der Großstädte wirklich begreifen, was die Menschen in Landshut oder Fulda bewegt. Und wenn sie es trotzdem tun, dürfen sie es besser nicht schreiben. Doch das ändert an den realen Tendenzen wenig.
Wolfgang Hübner