Es herrscht trügerische Ruhe im Land. Obwohl in der Mittelschicht die Abstiegsangst umgeht und Unternehmen ins Ausland abwandern, verharren die Meinungseliten in abgehobenen Klima-Debatten. Wenn nun auch noch Trump wiedergewählt wird, stellt sich für Europa die Systemfrage.
Beginnen wir philosophisch. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass freie, pluralistische, aber damit auch immer widerstrebende Gesellschaften angesichts vielfältiger Krisen in der Lage sind, diese aus sich heraus zu meistern – und sich nicht erst nach einem Crash neu sortieren?
Eine Frage nach der Mündigkeit liberaler Demokratien, die ich momentan vielen klugen Menschen stelle. Kriegt Deutschland die Kurve, ja oder nein? Nach knapp drei Dutzend Gesprächen ist die Antwort deprimierend eindeutig. Bis auf zwei Ausnahmen sagten alle: nein. Warum? Weil es uns noch zu gut geht, weil die Massivität der Krisen ignoriert wird.
Die meisten Medien tun so, als gäbe es nur eine Krise: die Klimakrise. Dabei könnte die sich zusammenbrauende Wirtschaftskrise Orkanstärke erreichen. Doch sie wird verdeckt vom Ausbleiben der Massenarbeitslosigkeit, die in Zeiten des Fachkräftemangels ihre Warnfunktion verloren hat. Der Absturz geschieht schleichend: Produktionskapazitäten werden ins Ausland verlegt. Hohe Energiepreise ziehen die Deindustrialisierung nach sich. Die Automobilindustrie wird geschreddert. Alles, um mit kurzsichtigen Maßnahmen die Klimakrise zu bekämpfen.
Die vermeintlichen Lösungen, die von der Ampel-Regierung, dort insbesondere von den Grünen, aufgetischt werden, haben einen viel zu engen Fokus, der mit dem Herkunftsmilieu der Partei zu tun hat. Er folgt der Logik des gebildeten, verbeamteten Bürgertums – und einer postmateriellen Erbenmoral.
Dass das Blockieren samt Postwachstumsträumereien so hoch im Kurs steht, hat mit einer Satt- und Zufriedenheit zu tun, die trügerisch ist. Marktwirtschaft gilt in den akademischen Eliten als rechts, Unternehmertum als aus der Zeit gefallen, es gibt keine Diskussion, sei sie innen- oder außenpolitisch, die nicht umfassend moralisiert wird. Gleichzeitig steht der deutsche Moralfuror zunehmend isoliert da. In Europa rutscht eine Regierung nach der anderen zurück in die Mitte. Oder nach rechts.
Was aber, wenn am 5. November 2024 Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wird? Und er genau jene Disruption mit sich bringt, die Deutschland überfordert? Die Wahlkampfmaschine in den USA läuft bereits, und die Zeichen, die Trump setzt, verheißen nichts Gutes; dem alten Europa kann er wenig abgewinnen. Und sicher wird er nicht vergessen haben, wie die europäischen Staatschefs in und vor allem nach seiner ersten Amtszeit über ihn hergefallen sind.
Er wird diesen Europäern den Hinweis geben, dass sie sich künftig um ihre Konflikte ein wenig selbstständiger zu kümmern haben. Wahrscheinlich, so ist er gestrickt, wird er das nicht ohne Hohn tun, im Sinne eines „Ihr wolltet doch nichts mit mir zu tun haben: viel Spaß!“. Dann wird es richtig ernst mit der Zeitenwende. Und verschärft stellt sich die Frage, wo Deutschland und Europa im Wettbewerb der Systeme stehen. Und welche Perspektiven wir haben.
Keine, wenn wir weitermachen wie bisher. Leistungseliten und Reiche werden verspottet. Ob Absenkung des Renteneintrittsalters oder die aktuelle Diskussion um die Vier-Tage-Woche, Deutschland steht stellvertretend für ein Europa, das einem luxuriösen Selbstverständnis frönt (und sich über die Eigenanforderungen im globalisierten Kapitalismus selbst belügt).
In Frankreich gehen derweil die Gewerkschaften militant gegen die „kleine“ Macron-Rentenreform auf die Straße. Um Europa machen viele Investoren schon heute einen weiten Bogen, was sich künftig noch verstärken dürfte.
Sollte Trump gewinnen, wird er zweifellos seine MAGA-Strategie fortsetzen: Make America Great Again – mit einem eher machiavellistischen Prinzip die aufstrebenden Mächte umgarnen und sich von nölenden Besserwissern aus Europa fernhalten. Trump versteht – so wie Putin und Xi – nur die Sprache der Stärke.
Die Wehrhaftigkeit Europas hat mit der Stärke der Wirtschaft, aber auch der Wissenschaft und der Innovationsindustrien zu tun. Die Mehrheit zweier starker Mittelstandsverbände, die der Familien und der jungen Unternehmer, würde in Zukunft ein Unternehmen eher im Ausland als in Deutschland aufbauen. Fast ein Viertel der Befragten denken mindestens einmal pro Woche daran, ihr Unternehmen zu verkaufen. Nahezu alle befragten Unternehmer (96 Prozent) sind überzeugt, dass die Deindustrialisierung in Deutschland begonnen hat.
Dabei sind die Probleme seit Jahren bekannt: Statt Bürokratie abzubauen, kommt auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene ein Layer nach dem anderen drauf. Die Steuern vergraulen Top-Performer, die keine Lust haben, im Land mit der höchsten Abgabenlast zu arbeiten.
Man gähnt schon beim Lesen, aber es ändert sich nichts, es herrscht eine trügerische Ruhe. Die Klimahysterie ist Teil einer bürgerlichen Blasen-Neurose, die keineswegs die bestimmende Sorge der Bundesbevölkerung widerspiegelt.
Längst sind weite Teile der unteren und mittleren Mittelschicht von einer Abstiegsangst erfasst, an deren Ende die pure Reaktanz und das Gegenteil von Klimaschutz stehen. Die Wahlen in Thüringen bieten dazu eine Preview. Die ständigen Provokationen, die moralische Überheblichkeit der vielen „Carlas“ verhindern nicht nur Mehrheiten für eine notwendige Transformationen, sondern führen dazu, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen der Volkswirtschaft vollkommen ignoriert werden.
Deutschland hat sich stets besonders gerne hinter den breiten amerikanischen Schultern versteckt, um dann umso wütender aus narzisstischer Kränkung über diese breiten Schultern zu lästern. Verteidigungspolitisch sind wir noch nirgendwo, so gut der neue Verteidigungsminister Pistorius seinen Job auch macht.
Wirtschaftspolitisch sind wir extrem abhängig von China und könnten uns Sanktionen gegen diesen Hauptkunden unserer Waren nur zum Preis einer auseinanderstiebenden Gesellschaft erlauben.
Kommentare
Ob es so schlimm kommt? Nein, es wird viel schlimmer kommen! Es dauert 10 Jahre, sich einen guten Ruf aufzubauen, aber nur ein paar Wochen, um ihn sich gründlich zu versauen. Wenn die Wirtschaft erstmal einbricht und die liquiden Unternehmen weg sind, kann man diese Entwicklung nicht einfach umdrehen. Das ist dann tatsächlich ein Kipppunkt - und zwar in den Angrund.
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Es gibt schon jetzt eine Mehrheit im Bundestag ohne Grün: Union + FDP zur Not toleriert von der AfD. Dann könnte man sofort wieder die Atomkraft nutzen, die Grenzen kontrollieren, Fracking im Inland erlauben, bei der Kohle zur Not CSS machen. Ein klares Signal die Energiepreise zu senken würde der Wirtschaft so ernorm helfen und wieder für Aufbruch sorgen. Im nächsten Schritt müsste ein Schrumpfung-Programm für den ÖRR her, damit die grüne Meinungsmacht endlich wieder ihre wirklichen nur 15% Anteil erhält.
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Ich arbeite im Vertrieb von Kunststoffen. Was derzeit im gesamten Markt abgeht, hat es selbst zur Wirtschaftskrise 2018/2019 nicht gegeben. Kein Unternehmen geht vorwärts. Alle treten auf der Stelle. Egal ob Verpackung, Hygiene oder Konsumgüter. Wirklich sehr sehr erschreckend. Mittelständische Unternehmen entlassen Mitarbeiter, weil Sie keine Arbeit haben. Kaum Aufträge um die nächsten 4 Wochen planen zu können. Die Unternehmen verlagern Ihre Produktion nach Polen, Tschechien, Ungarn. Günstige Arbeitskräfte und Energie. Adieu Deutschland….
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Seit der Wende mußte ich strampeln wie viele Andere, aber man gibt nicht auf, man hat ein bisschen was erreicht. Nun ändert sich was: Mein Elternhaus wird beschlagnahmt weil es nicht grün genug ist. Natürlich "Reaktanz": Ich gehe auf die Straße und der Bundeskanzler lächelt milde dazu. Was soll ich tun? Hat einer eine Idee?
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Alles richtig , aber solange die Bürger nicht begreifen , dass diese Regierung mutwillig den Wohlstand zerstört für vermeintlich höhere Ziele, werden wir einen beispiellosen Niedergang der deutschen Wirtschaft erleben. Wo bleibt der Aufstand der Gewerkschaften , wo bleibt der Aufstand der Industrie- und Handwerksverbände, wo bleibt der Aufstand der Bürger gegen diese Politik ????
Mari Horn
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus245133722/Ulf-Poschardt-Deutschland-stuerzt-ab-aber-alle-reden-nur-vom-Klima.html?fbclid=IwAR1viF2dVx13j54GMJw1-kGFNJh-Uv4zZgwVGiyLfAsSi7HEqhe6_a19G00