sind die besten Zutaten für teure Skandale. Der deutsche Zwang zur Wärmepumpe erinnert fatal an die Betrugsfälle mit dem EU-finanzierten Superbonus in Italien.
Ja, also, jedenfalls, diese EU und damit ich und vermutlich die meisten Leser, wir alle, haben wegen der Coronakrise nun ein immenses Förderprogramm gegen den Niedergang aufgelegt: Der Corona-Wiederaufbaufonds der EU vom Mai 2021 umfasst die stolze Summe von 750 Milliarden, von denen ein rundes Viertel, nämlich 191,5 Milliarden, nach Italien gegangen ist. 123 Milliarden sind Kredite, die das Land wegen der horrenden Verschuldung gut brauchen kann, und der Rest muss zweckgebunden ausgegeben werden: 37 Prozent sollten in den Klimaschutz gehen. Da kommen erkleckliche Summen zusammen, und Italien schmiedete daraus ein bemerkenswertes Programm: den sogenannten Superbonus, der bei der energetischen Ertüchtigung von Häusern, Photovoltaik und den Einbau einer neuen, umweltfreundlichen Heizung einen Zuschuss von bis zu 110 Prozent vorsah. 1 Euro ausgeben und 1,10 Euro bekommen, das klingt erst mal aberwitzig, aber wir reden hier von Italien: Grundsätzlich ist es so, dass auf diese Weise dann nicht etwa, wie so häufig, schwarz renoviert wird, sondern ehrlich mit Rechnung und Steuern und Abgaben. Der Staat gibt bis zu 110 Prozent, aber er greift auch entlang der ansonsten eher verborgenen Wertschöpfungskette zu und macht so aus den EU-Milliarden für das Klima Konjunktur und Steuereinnahmen für andere Dinge. Wie zum Beispiel die künstliche Absenkung der Benzinpreise oder den Verzicht auf Immobiliensteuern, denn italienische Politiker wollen wiedergewählt werden.
Ich liebe Italien, aber ich mache mir nur keine Illusionen: Man betrachte das bitte nicht als Kritik, so ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ist der Stimmenkauf dort nun mal. Und so generell ist die Idee auch gar nicht schlecht gewesen, sofern man davon ausgeht, dass die Arbeiten wirklich unternommen und nicht nur vorgetäuscht wurden, um bei null eigenen Kosten 110 Prozent des erfundenen Rechnungsbetrages abzukassieren. In Deutschland berichtet man nicht gern darüber, denn es sind EU-Gelder, die auch Sie und ich bezahlt haben. Und natürlich ist es schwierig, jetzt den Massen wegen deutscher Finanzierungsprobleme ein höheres Renteneintrittsalter nahezulegen, wenn in Italien die organisierte Kriminalität mit großen Netzwerken aus Politik, Bauwirtschaft und Bauherrn jene Gelder plündert, mit denen Corona überwunden und etwas für das Klima getan werden sollte. Momentan tauchen in Italien fast täglich neue Betrugsfälle auf, mal klein und mal riesig: In Verona fand die Finanzpolizei einen Maxibetrug mit 110 Millionen Schaden. In Treviso rechnet man mit einem Netzwerk, das 24 Millionen mit dem Superbonus ergaunert und in privaten Luxus investiert hat. Im schönen Monza ermittelt man wegen 90 Millionen gegen ein ganzes Netzwerk mit 48 Beschuldigten. Und in Asti versuchten höchst kreative Kriminelle, mit erfundenen Bauvorhaben verstorbener Personen oder ahnungsloser Mitbürger Steuerbegünstigungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro zu erschleichen.
Und das sind nur einige Fälle, die man kennt: Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein. Für Italiener ist das alles keine Überraschung. So läuft das nun mal, wenn ein überforderter Staat sehr schnell neue und unbekannte Wege beim Geldausgeben gehen muss. Hintergrund für die hemmungslose Milliardenverteilung war der Umstand, dass in Bel Paese schon länger die Immobilienpreise auf sehr niedrigem Niveau sind, und energetische Sanierungen und neue Heizungen vor diesem Hintergrund nur sehr begrenzt zur Wertsteigerung beitragen. Das Klima ist von eher rudimentärer Bedeutung, wenn es um das eigene Vermögen geht. Entsprechend unbeliebt waren tiefere und teure Eingriffe in die Bausubstanz. Zumal sich die Italiener auch gern selbst helfen: In den Bergdörfern, in denen es Holz im Überfluss gibt, heizt man traditionell mit dem, was man auf dem eigenen Grund fällen und zersägen kann. Der Superbonus verdankt seine Existenz dieser allgemeinen Zurückhaltung: Der Staat muss die Umsetzung seiner Ziele de facto selbst bezahlen, weil es das Volk von sich aus nicht tun würde. Zwänge mit Multimilliardenbelastungen für die Bürger wie in Deutschland würden dort zu einem Aufstand der Hausbesitzer führen und die schuldige Regierung aus dem Amt jagen. Also machten die Regierungen Conte und Draghi mit den Mitteln der EU ein 110-prozentiges Angebot, das die Bürger nicht ablehnen konnten.
Für die Regierung in Rom war es letztlich nicht so wichtig: Die muss vor allem nach Brüssel Vollzug melden und Frau von der Leyen berichten, dass all die schönen Milliarden nun wirklich dazu genutzt werden, um das Klima in Italien merklich zu verbessern. Das hat man schwarz auf weiß abgestempelt, das hat man bewilligt und bezahlt: Was wirklich getan wurde, wird sich erst noch in Laufe weiterer Ermittlungen zeigen. Gerade die Baubranche ist per se schon anfällig für Schwarzarbeit, Schmiergelder und Absprachen bei der Auftragsvergabe: Solche Netzwerke müssen zum Aufteilen der Superbonusbeute nicht erst geschaffen werden. Sie sind offensichtlich schon da und gern bereit, die Sonderkonjunktur abzufeiern. Weil wir gerade davon reden, hier feiert das Netzwerk der Wärmepumpenlobby zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck die Zusage ab, nächstes Jahr in Deutschland 500.000 Wärmepumpen zu verbauen:
Deutsche vergessen schnell, wie etwa die Förderung der Elektroautos mit Steuergeldern lief, die mit erheblichen Nachlässen erworben, ein halbes Jahr als Zweitwagen gefahren und dann nach Dänemark verkauft wurden. Dadurch haben die Deutschen nicht etwa die Elektrifizierung unseres Straßenverkehrs gefördert, sondern auch noch die des nördlichen Nachbarlandes. Es wurde sogar damit geworben. Und es soll auch nach Verlängerung der Haltefrist auf ein Jahr lukrativ für alle außer den deutschen Steuerzahler sein. Wir schmerzbefreiten Germanen auf unseren starken Eichen vergessen auch die Leichtigkeit, mit der Coronahilfen in Berlin an Betrüger und Schwerkriminelle ausgezahlt wurden, unter der Leitung der jetzigen Chefin der Verbraucherzentralen, der Grünenpolitikerin Ramona Pop. Wir denken nicht mehr an die vielen Milliarden für die Testzentren, die von Amateuren extrem lukrativ betrieben wurden. Oder an die Aushandlung der Lieferverträge mit den Impfstoffherstellern durch Frau von der Leyen. Rein zufällig an dieser Stelle das Bild einer sich selbst verschlingenden Schlange.
Und weil wir so schnell vergessen und auch nicht wissen wollen, wieso wir so viel Steuern zahlen und trotzdem die kleinen Krankenhäuser schließen müssen und die Fratzschers vom DIW schon wieder Vermögenssteuern fordern und das Renteneintrittsalter steigt, während in Deutschland niemand über italienische Scheingeschäfte mit dem Superbonus auf Basis deutscher Hilfen berichtet... weil das alles so ist, finden es viele aufseiten der Wärmepumpenindustrie und der Grünen nicht schlecht, dass nun niemand beim Zwangsheizungstausch zurückgelassen wird. Und dass man den Armen und Alten beim Austausch großzügig helfen wird, mit vielen Milliarden in ganz kurzer Zeit, wenn es nach den Versprechungen von Herrn Habeck geht. Nun haben wir keinen 110-Prozent-Superbonus, aber bis zu 40 Prozent der Kosten bis maximal 60.000 Euro pro Wohneinheit und Jahr sind auch nicht schlecht, bei einer Gesamtfördersumme von 600.0000 Euro insgesamt. Und es wäre, höflich formuliert, nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass nicht geförderte Bauaufgaben nicht trotzdem ihren Weg auf die absetzbare Rechnung finden würden. 60.000 Euro ist nicht ganz wenig Geld, da kann der Einbau einer neuen Küche oder eines neuen Bades schon mal drin verschwinden, wenn man sich nur mit dem Handwerker einig ist. Weil, ob der Klempner jetzt 20 Stunden an der Wärmepumpe schraubt oder doch nur 3 Stunden und die anderen 17 plus Anfahrt an der neuen Spüle: Nun, Che sera, sera sang Doris Day in Hitchcocks Film „Der Mann, der zu viel wusste“, capisce?
Mari Horn
Artikel aus Welt.de