Der schreckliche Mord an der 12-jährigen Luise aus Freudenberg wäre nicht weniger schrecklich, wenn er von zwei gleichaltrigen Jungs oder einem Erwachsenen begangen worden wäre. Monströs und extrem alarmierend aber wird dieser Mord, weil er von zwei Mädchen in Luises Alter verschuldet wurde. Monströs, weil eine solche Täterschaft bislang als unvorstellbar galt. Und extrem alarmierend, weil es ein gesellschaftlich-kulturelles Umfeld geben muss, in dem dieser bestialische Mord möglich war und weiter möglich ist. Eine so monströse Tat kommt nicht aus dem Nichts, sie hat Voraussetzungen. Über diese Voraussetzungen zu sprechen ist noch wichtiger als die bereits entbrannte Diskussion über die rechtliche Schuldungfähigkeit der Täterinnen.
Niemand kann abstreiten, dass fiktive Morde und Horror zu den tagtäglichen Produkten unserer westlichen Kulturindustrie gehören. Filme und Videos, in deren Handlungsmittelpunkt ein Mord oder eine ganze Mordserie stehen, gibt es vieltausendfach, und jede Woche werden es mehr. Sie sind Kindern ebenso zugänglich wie auch die perversesten Horrorfilme, gegen die eine frühere Fahrt mit der Geisterbahn auf Rummelplätzen ein an Harmlosigkeit nicht überbietbares Erlebnis war. Wer konnte je dafür garantieren, dass aus solchen Filmerlebnissen von Kindern nicht einmal blutigster Ernst werden könnte? Ja, auch manche Märchen der Brüder Grimm haben Schreckensmomente für die kindliche Seele. Doch zu einer Tat wie dieser Mord an Luise haben sie nie geführt.
Die modernen Kommunikationsinstrumente machen es unmöglich, Kindern und Jugendlichen den Konsum von Filmen mit Mord und Horror zu verhindern. Und so wenig sich Staat und Gesellschaft um das teilweise katastrophale, krankmachende Essverhalten der Jüngsten scheren, so egal ist den Propagandisten von Gender und „Woke“-Sein deren realer Medienkonsum. Diesen rigide zu kontrollieren wird zwar nicht möglich sein. Aber ist es auch unmöglich, die Produktion von Mord- und Horrorfilmen einzudämmen? Oder zählt das zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Kultur des Wertewestens? Das sind bohrende Fragen, die schon länger gestellt hätten müssen. Nun müssen sie endlich beantwortet werden.
Auch die Tatsache eines Messers als Mordwerkzeug wirft in Anbetracht der auffällig vielen Messertaten der letzten Jahre unbequeme Fragen auf. Ihnen darf nicht ausgewichen werden. Deshalb muss bei aller Berücksichtigung des Alters der beiden Täterinnen öffentlich gemacht werden, welchen familiären und kulturellen Hintergrund diese schuldigen Mädchen haben. Die Monströsität des Geschehens in Nordrhein-Westfalen ist einfach zu groß und zu schrecklich, um uns glauben zu machen, der Mord an Luise sei aus dem Nichts gekommen. Denn da, wo er herkam, sind wir alle mittendrin.
Wolfgang Hübner