Nun mal keine Aufregung, ihr deutschen Angsthasen: Eure Mächtigen haben alles im Griff, sogar euren Wohlstand. Denn niemand muss frieren in diesem Winter – es ist halt nur teurer geworden, in der warmen Stube zu sitzen. Niemand muss den Blackout fürchten – es ist nur kostspieliger geworden, mit Elektrizität zu leben. Niemand muss aufs Reisen verzichten – vorausgesetzt, viele verzichten dafür auf andere bisher genossene Annehmlichkeiten. Und niemand muss sich vor hoher Inflation fürchten – das Statistische Bundesamt hat gerade die Berechnung der Geldentwertung neu definiert. Demnach ist alles nicht so schlimm. Und sollte es doch noch Inflation geben, dann liegt das an all jenen abhängig Beschäftigten, die unvernünftiger Weise einen vollen Lohnausgleich fordern.
Es wird oft nicht genügend beachtet, dass die Manipulationsmaschinerie des politmedialen Komplexes dem Volk nicht nur einreden kann, dass die Russen unsere Feinde und die amerikanischen Pipelinezerstörer unsere Freunde sind. Noch wichtiger ist es, gerade in Zeiten von Reallohnverlusten und Wohlstandseinbußen für viele Millionen Menschen genau diesen erfolgreich zu suggerieren, alles sei in Ordnung und in den besten Händen. Und das ist eine wesentlich schwierigere Aufgabe als die Einpflanzung internationaler Feindbilder und der Bereitschaft, Panzer gen Osten zu schicken. Denn materielle Verluste verspürt das Volk unmittelbar, sie können nicht einfach weggeplappert oder geleugnet werden.
Es ist deshalb von allergrößter Bedeutung für den herrschenden Machtapparat, die Medien im Griff zu haben. Dazu sind die privatwirtschaftlichen Besitzer wie auch die öffentlich-rechtlichen Kontrolleure der Medien gerne bereit. Denn ihnen geht es nicht schlechter, wenn es der Masse nicht mehr so gut geht. Heerscharen von willigen Schreiberlingen, gefügige Denkfabriken und gut honorierte PR-Agenturen sind deshalb am Werk, den Deutschen einzureden, alles sei gut. Und man kann es sich sogar leisten, weit hinten im Wirtschaftsteil eine Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe sagen zu lassen: „Die Krise hat die Mittelschicht erfasst“. Das soll ausgeglichene Berichterstattung dokumentieren, muss und wird aber ohne Konsequenzen bleiben.
Deshalb kann diese Präsidentin ruhig auch mal zu Protokoll geben: „Rund die Hälfte der Menschen geben an, dass sie auf ihre Ersparnisse zurückgreifen. 70 Prozent verschieben größere Anschaffungen. Die Zahl der Negativeinträge bei der Schufa hat um rund 30 Prozent zugenommen. Wie das Statistische Bundesamt ermittelte, hatten schon vor diesem Krisenjahr fast ein Drittel kein Geld, um unerwartete Ausgaben über 1150 Euro zu stemmen.“ Haben die Leser meines Textes je einen Leitartikel in ihrer Heimatzeitung über diese Probleme gelesen, gab es je eine Sondersendung bei ARD oder ZDF dazu, beschäftigt sich der Bundestag ausführlich damit? Es ist eine Spitzenleistung des medialen und politischen Manipulationsapparates, das reale Sein des deutschen „Wohlstands“ unter dem schönen Schein so erfolgreich verbergen zu können.
Wolfgang Hübner