Bis vorgestern war der investigative Journalist Seymour Hersh für die deutschen Leitmedien eine Legende als famoser Aufdecker von etlichen amerikanischen Staatsverbrechen. Damit ist es vorbei. Denn Hersh ist von nun an das, was jeder aufrechte Oppositionelle in der deutschen Restdemokratie ist: „Umstritten“. Denn die letzte große Enthüllung des 85-jährigen über die amerikanisch-norwegische Attacke auf die Nord Stream-Pipeline in der Ostsee stürzt nicht nur die Machthaber in Washington und Europa, speziell aber in Berlin, in große Verlegenheit. Diese journalistische Bombe trifft die konformistischen deutschen Medien mit ihren Lügen-, Manipulations- und Ausblendungsmethoden im Kern ihres Unwesens.
Da auf keinen Fall sein soll, was nicht sein darf, nämlich die US-Verantwortung für die Sprengung der Pipeline, muss nun die Reputation des vielfach ausgezeichneten Pulitzer-Preisträgers in Zweifel gezogen werden. Und Medien, die unkritisch jeden Propagandamist aus dubiosen britischen Quellen zum Ukrainekrieg übernehmen, monieren nun scheinheilig, Hersh habe für seine Enthüllungen nur eine Quelle und wolle diese nicht benennen. Ja, sowas aber auch! Eilfertig werden die erwartbaren Dementis der Biden-Regierung in den Vordergrund geschoben. Besonders dreist titelt die russenhassende FAZ ihren Bericht zu dem Thema mit: „Kreml: USA haben Pipelines beschädigt“. Infamer geht es kaum noch. Ich wage die Voraussage, dass diese Behandlung der Hersh-Enthüllungen der ohnehin schon geringen Glaubwürdigkeit deutscher Leitmedien den finalen Todesstoß gibt.
Das trifft selbstverständlich ebenso für die Politiker und Parteien des deutschen Machtkartells zu. Sie haben ja schon in den letzten Monaten genügend Anschauungsunterricht in Vasallentum geboten. Nun stehen sie rat- und hilflos vor der ausgerechnet aus den USA kommenden Botschaft, dass der große „Freund“ der rücksichtslose Feind ist. Und dieser Feind keine Schwierigkeit hat, in der europäischen „Wertegemeinschaft“ einen Spießgesellen wie Norwegen zu finden, der jetzt seine Energieexporte nach Deutschland noch viel profitabler verkaufen kann. Scholz, Habeck und Lindner, die sicher schon lange wissen, wer hinter der Pipeline-Sprengung gesteckt hat, werden nun umso h verbissener und verkrampfter die Unwissenden spielen müssen - ein jämmerliches Schauspiel.
Eine Herausforderung sind Hershs Enthüllungen aber auch für Konservative und Rechte hierzulande. Denn wenn Hershs umfängliche, gewiss auf hochrangigen Quellen in Washington beruhende Darstellung der Ereignisse stimmt, dann kann es keine andere Konsequenz geben als die Forderung nach Abzug aller amerikanischen Truppen und Militärstützpunkte vom gesamten Bundesgebiet. Die Sprengung der Pipeline wäre als Staatsterrorismus sogar ein Kriegsgrund, doch beim aktuellen Zustand der Bundeswehr ist das wahrlich keine Option. Allerdings wird die Parole „Ami, go home!“ künftig mehr Popularität bekommen, als es manchen Kreisen in der AfD oder alternativen Medien lieb sein wird. Doch welcher Schluss wäre sonst zu ziehen, wenn Seymour Hersh recht hat?
Wolfgang Hübner