Fast möchte er einem ja leidtun, der Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Kriegstreiber in der eigenen Koalition, die von CDU/CSU und die in den Medien kritisieren sein mangelndes Engagement für den ukrainischen Endsieg. Und hohe Inflation sowie schädliche Sanktionsfolgen vielerlei Art machen ihm selbst das Regieren eines so braven Volkes wie die Deutschen zunehmend unangenehm. Ein schnell wirksames Zaubermittel, um all diese Probleme zum Verschwinden zu bringen, ist trotz vieler Denkfabriken nirgendwo zu finden. Doch halt, da gab es doch etwas in der Geschichte der Bundesrepublik, was vielleicht einen Ausweg weisen könnte: Die „Konzertierte Aktion“ der Sozialpartner aus dem Jahr 1967!
Damals, es regierte in Bonn die Große Koalition, hieß der Wirtschaftsminister Karl Schiller und war Sozialdemokrat wie Scholz. Die Lage seinerzeit war auch krisenhaft, doch vergleichsweise paradiesisch im Vergleich zur Gegenwart: Die Bahnen fuhren pünktlich, Alleinverdiener konnten noch eine Familie ernähren, es gab allerorten fleißige „Gastarbeiter“ statt Heerscharen von Wirtschaftsflüchtlingen aus aller Welt und die Bundesbank garantierte unerbittlich eine starke DM-Währung. Die Rezession 1967 wurde gleichwohl als Einschnitt in die Wirtschaftswunderseligkeit empfunden und sollte mit der „Konzertierten Aktion“ bekämpft werden, hatte aber letztlich nur eine inflationäre Entwicklung zum Ergebnis.
Für Scholz kein Grund, es nicht noch einmal zu versuchen unter dem Titel: „Konzertierte Aktion gegen den Preisdruck“. Um diesen „Preisdruck“, wie die Berliner Schöninterpretation der galoppierenden Inflation nun genannt wird, in den Griff zu bekommen, sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammen mit der Regierung wirksame Gegenmaßnahmen beraten. Das läuft nach guter sozialdemokratischer Tradition darauf hinaus, die unter steigendem Reallohnverlust und faktischen Rentenminderungen leidenden Massen irgendwie mit einer Entwicklung zu versöhnen, für die die Politik keine Lösung hat.
Denn mit der Abgabe der Währungssouveränität an die Europäische Zentralbank sowie der Beteiligung an den Deutschland selbstschädigenden Sanktionen gegen Russland haben die in Berlin vormals und jetzt Regierenden alles dafür getan, dass nun keiner weiter weiß - bis auf die Grünen. Für diese Partei und ihre Wähler ist die Inflation viel unwichtiger als der Kampf gegen den Klimawandel und die Ruinierung Putins hat absoluten Vorrang vor der Rettung von Industrie und Arbeitsplätzen. Die schon geradezu hündisch systemtreuen Gewerkschaften werden zwar gewiss an der Scholz-Aktion teilnehmen, können aber nur bei Strafe ihrer völligen Selbstaufgabe in der jetzigen Situation auf höhere Lohn- und Gehaltsforderungen verzichten.
Was soll also bei dieser „Konzertierten Aktion gegen Preisdruck“ herauskommen? Nicht mehr als die multimedial verbreitete Botschaft ans Volk: Seht her, wie wir uns bemühen, Gutes für euch zu tun! Doch mehr als weitere fragwürdige kurzzeitige Aktionen wie 9-Euro-Ticket oder Tankrabatt wird aus dem Runden Tisch der Sozialpartner nicht resultieren. Denn es geht nicht um die wahren Gründe der nun für fast alle Bürger schmerzlich spürbaren Folgen fundamentaler Fehlentwicklungen, sondern um deren Vernebelung, bestenfalls Schadensbegrenzung. Und dafür ist ein SPD-Kanzler doch allemal besser geeignet als der BlackRock-Millionär Friedrich Merz.
Wolfgang Hübner