Fratzscher ist nicht irgendwer, sondern Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität. Sein Wort hat Gewicht – jedenfalls in den Mainstreammedien.
Vier Prozent Inflation und mehr sind für den Wirtschaftsfachmann gar kein Problem, sondern sogar - wörtliches Zitat - „willkommen“, damit die grüne Transformation endlich in die Gänge kommen möge. Das Klagen der Bürger (und der Wirtschaft selbst) kann der Herr Professor dabei überhaupt nicht nachvollziehen. „Schädliches Verhalten“ müsse eben bestraft werden, verkündet der Gelehrte in protestantischer Unerbittlichkeit den Bürgern, die im Winter eine warme Wohnung haben wollen und für die stark gestiegenen Preise von „Verschmutzungsrechten“ in Form von staatlich diktierten CO2-Zertifikaten ordentlich bluten müssen. Fratzscher tut dabei so, als ob es sich die Mehrheit der Bürger aussuchen könnte, womit sie in der kalten Jahreszeit heizt. So als ob das mehrheitlich zur Miete wohnende Volk einen nennenswerten Einfluss darauf hat, ob Wärme und Strom per Fernwärme und auf der Grundlage von Erdgas, Kohle oder Öl nach Hause kommen - oder eben nicht.
Ebenso zynisch wie gnadenlos geht es weiter im Pamphlet Fratzschers, das sich das „Handelsblatt“ nicht entblödet hat abzudrucken. Der Bürger solle sich mal wegen der paar Prozent Geldentwertung nicht so anstellen, kann man die Botschaft des hochbezahlten Wirtschaftsfachmanns zusammenfassen, schließlich habe die Inflationsrate in D-Mark-Zeiten im Schnitt bei 3,1 Prozent gelegen. Dumm nur, dass der in Regierungskreisen gern zitierte Professor dabei vergisst zu erwähnen, dass der Zinssatz in Westdeutschland in den 1970er und 80er Jahren im Schnitt zwischen 6,4 und 8,9 Prozent lag und die Inflation damit mehr als ausgeglichen wurde. Ganz im Gegensatz zu heute, wo seit 28 Jahren nicht mehr gesehene Inflationsraten von über vier (und bald über fünf) Prozent auf die Null- und Minuszinspolitik der EZB treffen, die damit den hochverschuldeten Club Med im Süden der EU über Wasser halten will – zulasten des deutschen Sparers, der sieben Milliarden Euro verliert, wie die Allianz jüngst ausrechnete, und zwar monatlich!
Dass auch der Außenwert der D-Mark früher viel höher war als heute der des Euro, sprich dass man mit der D-Mark im Ausland viel mehr kaufen konnte als heutzutage mit der aktuellen Weichwährung im Portemonnaie außerhalb des Euro-Raumes, lässt der feine Herr Professor gleich ganz weg. Vielleicht ist dieser Punkt auch nicht mehr so relevant, seitdem die Bürger wegen der Corona-Zwangsmaßnahmen die letzten eineinhalb Jahre ohnehin nicht mehr viel ins Ausland fahren durften.
Im ähnlichen Stil geht es weiter in Fratzschers Pamphlet. Da werden wichtige Fakten weggelassen, Dinge geschönt und zurechtgebogen und damit dem renitenten Bürger suggeriert, dass er gar keinen Grund zur Klage habe. Gleichzeitig empfiehlt der Herr Professor der Politik, ihre „expansive Finanzpolitik fortzusetzen“, sprich auch weiterhin das aus dem Nichts erschaffene EZB-Geld mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen. Die bereits vorhandene gefährliche Blasenbildung bei den Vermögenspreisen (Immobilien, Aktien, bestimmte Edelmetalle usw.) und die nunmehr ins Laufen gekommene Geldentwertung bei den Verbraucherpreisen sind dabei offensichtlich kein Problem, denn, siehe oben, Inflation ist gut. Dass eine permanent steigende Geldmenge nun auch noch auf ein aus mehreren Gründen stark verknapptes Güterangebot trifft, lässt für die Zukunft noch viel mehr „gute“ Inflation erwarten, ist man da versucht zu ergänzen.
Da nicht zu vermuten ist, dass Marcel Fratzscher in Wirklichkeit ein ahnungsloser Tropf ist, der sich seine Diplome am heimischen Drucker zurechtgebastelt hat, muss es für die kruden Aussagen des DIW-Chefs einen anderen Grund geben. Und in der Tat: Schon nach kurzer Recherche wird man fündig. Fratzscher verdiente zwölf Jahre lang seine Brötchen bei der EZB, derselben EZB, die schon seit vielen Jahren dafür sorgt, dass sich die private Altersvorsorge der Deutschen (Stichwort: Kapitallebensversicherung) zugunsten der überschuldeten EU-Südschiene in Luft auflöst.
Nach seinem Wirken bei der europäischen Gelddruckmaschine in Frankfurt wechselte Fratzscher zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) an die Spree. Dieses Institut wird in erster Linie vom Bund und dem rot-grün-roten Land Berlin finanziert, sodass der Staat für die Hälfte des Haushalts des DIW aufkommt. Unabhängigkeit sind anders aus.
Ein der EZB mehr als ein Jahrzehnt dienender Ökonom steht einem von staatlichen Geldern höchst abhängigen Wirtschaftsforschungsinstitut vor und schreibt in einer Zeitung der Holtzbrinck-Verlagsgruppe, an der die SPD mit 40% beteiligt ist. Dies erklärt so einiges von Fratzschers steilen Thesen, wenn nicht sogar alles. Dass diesem verkappten Regierungsvertreter im Wirtschaftsgewand in den Mainstreammedien jedoch so viel Platz eingeräumt und dabei auch noch suggeriert wird, Fratzscher und sein halbstaatliches Institut seien auch nur irgendwie neutral und unabhängig, ist jedoch unerträglich und geradezu Betrug am Leser.
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