von Emil Sänze
Wir gedenken den Toten zum Jahrestag der Zerstörung und der zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges.
Laut dem amtlichen „The United States Strategic Bombing Survey“ wurden im Zweiten Weltkrieg von der britischen und der US-amerikanischen Luftwaffe mehr als 1.440.000 Anflüge von Bombern und 2.660.000 Anflüge anderer Kampfflugzeuge unternommen, die insgesamt mehr als 2,7 Mio. Tonnen Bomben über Deutschland abwarfen. Dieselbe Quelle sagt: „In Deutschland wurden etwa 3.600.000 Wohneinheiten, das sind annähernd 20 Prozent, zerstört oder schwer beschädigt. Eine grobe Schätzung zeigt, dass 1.080.000 Zivilisten getötet oder verwundet wurden. Die Anzahl der Obdachlosen beträgt rund 7.500.000. Die wichtigsten deutschen Städte sind größtenteils in Trümmerhaufen verwandelt.“ Nur zwei der am schlimmsten getroffenen Städte waren Dresden, am 13.-15. Februar 1945 und Pforzheim, am 23. Februar 1945. Diese Zerstörungen wurden zu einem Zeitpunkt vorgenommen, als eine organisierte Gegenwehr der unterlegenen Kriegspartei, des NS-Staates, kaum noch möglich war. Menschen aus 20 Nationen kamen zusammen mit Deutschen in Dresden ums Leben. Die Rote Armee stand bereits in Görlitz. Die Bewertung der alliierten Luftangriffe und mit ihnen die Behandlung der Opferzahlen durch Politik, Medien und sogar durch Fachhistoriker scheint leider in hohem Maße den von den jeweiligen Herrschenden vertretenen Zeitgeist, ihre Wünsche und Ängste, widerzuspiegeln – ein in unseren Augen unwürdiger Zustand.
Die Luftangriffe und ihre Opfer als modernes Politikum.
Die beständige Verminderung der Anzahl der Bombenopfer von Dresden begann in den offiziösen deutschen Medien – z.B. dem DLF - im Jahre 2005, als von Seiten der staatlichen Repräsentanten unserer Republik der 8. Mai 1945 zum „Tag der Befreiung“ ausgerufen wurde. Dieses Verfahren gipfelte im Bericht der 2004 von OB und Stadtrat der Stadt Dresden beauftragten Historikerkommission , der 2010 vorlag. Es war dieser Kommission völlig klar, dass sie nicht lediglich Ereignisse von stadtgeschichtlicher Bedeutung zu bearbeiten hatte, sondern (Zitat): „Das Erinnern an die alliierten Luftangriffe auf Dresden — symbolisch adressiert im Datum des Jahrestages 13. Februar — besitzt nach wie vor aktuelle Bedeutung in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen um Geschichtsbilder, Gesellschaftsentwürfe und Identitäten. In diesem Diskurs ist die Zahl der durch die Luftangriffe auf Dresden getöteten Menschen seit langem zu einem zentralen Argument geworden, in dessen Verwendung sich Bewertungen und Haltungen bündeln.“ Mit anderen Worten: Die Bewertung Dresdens ist zentrales Symbol für das Selbstbild und Staatsbild der politischen Eliten unserer Republik, repräsentiert durch die Auftraggeber der Studie, ebenso wie für die regierte Bevölkerung und deren gelebte Erinnerung. Es herrschte in der Stadtverwaltung Angst vor einer Instrumentalisierung „zu hoher“ Opferzahlen durch Rechtsextremisten; folglich haben wir es mit Geschichtspolitik zu tun. Es gilt der Satz George Orwells: „Wer die Vergangenheit beherrscht, der beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, der beherrscht die Vergangenheit.“ Nie war dieser Satz wahrer als heute. Die Dresdener Historikerkommission legte sich 2010 auf 22.700 bis höchstens 25.000 Opfer fest – in einer Stadt, die im Frühjahr 1945 offiziell 630.000 Einwohner hatte, die Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Reiches nicht mitgezählt. Auch für Tieffliegerangriffe auf den Elbwiesen fand die Kommission in Dresden keine Belege, während zeitgleich im ganzen damaligen Reichsgebiet Zivilisten den Angriffen alliierter Jagdbomber nachweislich systematisch und täglich ausgesetzt waren. DDR-Publikationen, die gewiss nicht im Ruch neonazistischer Interessen standen, haben bereits 1955 die Zahl der Dresdener Bombentoten mit 35.000 angegeben, die gezählt werden konnten. Der renommierte Historiker Jörg Friedrich bezifferte die Dresdner Opfer auf ca. 40.000 oder ca. fünf Prozent der im Frühjahr 1945 anwesenden Bevölkerung ; ebenso schreibt Friedrich von alliierten Plänen des Sommers 1944, einen „Thunderclap“, einen Luftangriff mit über 100.000 Toten zu organisieren. Allein 9.000 Dresdener Tote wurden nach den Angriffen auf dem Altmarkt auf Eisengerüsten mit Benzin übergossen und verbrannt. Dies sind Zahlen, die in die schöne Vorstellung eines „Tages der Befreiung“ mit freundlichen alliierten Wohltätern zweifellos Disharmonie gebracht hätten und nicht in die politische Harmoniesucht von 2005 passten.
Harris spricht Klartext – zur Rolle von Zeitzeugen und Historikern.
Es bleiben zwei Zitate anzuführen. Der britische Befehlshaber des Bomber Command, Sir Arthur Harris: „Wir zielten in keinem Fall, außer in Essen, auf eine Fabrik. Die Zerstörung von Werksanlagen, die trotzdem in großem Maße erfolgte, konnte als Bonus betrachtet werden. Der Zielpunkt war üblicherweise jeweils das Zentrum einer Stadt…“ Der Jagdfliegerkommandeur Paul Zorner: „(…) wir wußten nicht, wen wir mehr verachten sollten: Die Führung des Reiches, die uns in diese verzweifelte Lage gebracht hatte, oder den Gegner, der uns durch Terror gegen Frauen und Kinder in die Knie zwingen wollte.“ Die Flieger der Alliierten haben ebenso wie die deutschen Flieger Befehle befolgt – ihnen ist der Auftrag ihrer politischen Führung zur Tötung von Zivilisten nicht anzulasten. Den wenigsten von ihnen wird ihr Auftrag ein freudiger gewesen sein. Andere Akteure sind per se keine Befehlsempfänger: Historiker gleichwelcher Seite, die im politischen Auftrag gleichwelcher Zielsetzung handeln, schlagen dem Ethos ihres Berufs ins Gesicht, schlagen der historischen Wahrheit ins Gesicht und schlagen damit den Opfern von Krieg und Gewalt in unsäglicher Weise ins Gesicht. Ein solches Verhalten ist stets eine Schande für die Zunft, die sine ira et Studio (ohne Zorn und Eifer) zu arbeiten hat.
Die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg gedenkt der zivilen Toten beider Seiten. Möge unser Kontinent von künftigen Kriegen verschont bleiben, mögen Menschen und Kulturgüter auch in den kommenden Generationen in Frieden leben dürfen.